Search
Search Menu

„In The Name Of Jesus“

Es tut mir leid, dass sich meine Blogeinträge immer mehr verspäten. Gleichzeitig ist es so, dass wir hier gerade mitten in den Vorbereitungen für unser Konzert am 25. November stecken und mit den vielen Projekten kaum noch hinterherkommen. Dazu kommt noch, dass das Thema dieses Blogeintrags sehr heikel ist und ich lange überlegen musste, wie ich meine Wahrnehmung beschreiben kann, ohne ein Bild oder eine Meinung zu bilden. Es ist mir nicht gelungen gänzlich auf Kritik oder meine Einstellung zu verschiedenen Themen zu verzichten und so ist es mir wichtig, dass meine Leser sich meiner subjektiven Wahrnehmung bewusst sind. Ein anderer Freiwilliger oder jemand der nach Ghana kommt könnte das vollkommen anders wahrnehmen als ich.

Erstmal ein kurzes Update zu dem Alltag im Odehe Center. Wir haben heute seit genau einer Woche kein fließendes Wasser mehr. Bis vorgestern hatten wir noch die Möglichkeit Wasser aus dem Brunnen gegenüber zu schöpfen, aber seit gestern ist auch diese Quelle versiegt. Ich glaube, ich war noch nie so sparsam mit dem Wasser wie jetzt. Beim Geschirr abspülen, Kochen, Toilette spülen, Zähne putzen, Duschen und Hände, wie auch Wäsche waschen mussten wir extrem zurückschrauben (bis auf das Zähneputzen vielleicht). Wäsche haben wir seither nicht gewaschen und die Toilette benutzen wir nur noch im Notfall, da das Spülwasser einfach knapp ist. Wir duschen bei Freunden aus der Nachbarschaft und gehen da zur Toilette, wo wir arbeiten, denn nur so bleibt unser Bad hier in Teshie hygienisch. Zudem fällt der Strom einfach ab und zu aus und die Spülung unserer Toilette geht schon seit einer Weile nicht mehr. Seit kurzem gibt der Lichtschalter im Bad jedem Besucher einen hübschen Stromschlag, damit man auch wieder hell wach ist, wenn man nachts das Klo besucht hat. Dafür brauchen wir uns in unserem Schlafzimmer keine Gedanken über den Lichtschalter zu machen, denn dort funktioniert das Licht gar nicht mehr ? Es ist ein kleines Abenteuer, aber das gehört nun mal dazu. Jetzt aber zurück zum eigentlichen Thema dieses Blogeintrags.

Wie schon erwähnt sind die Ghanaer sehr gläubige Menschen. Neben den traditionellen Religionen und weniger bekannten Glaubensrichtungen sind hier vorrangig Muslime und Christen, Protestantische, wie auch Katholische vertreten. Für die Ghanaer ist es unheimlich wichtig, irgendeine Art des Glaubens zu besitzen und dabei ist es völlig egal welche das sein mag. Ihnen ist es unklar, wie ein Mensch keinerlei Glauben besitzen kann und bekennt man sich öffentlich zum Atheismus, muss man mit Unverständnis von ghanaischer Seite rechnen (Quelle: Wikipedia). Ich selbst habe damit, da ich eine Form des Glaubens besitze, keine Probleme, aber andere Freiwillige mussten sich schon dreimal überlegen, nicht der Einfachheit halber einen Glauben zu erfinden. Interessanter Weise ist der Respekt, den sich die unterschiedlichen Religionen und Glaubensrichtungen entgegenbringen sehr hoch und somit besteht eine gesunde Basis des miteinander Lebens trotz eines unterschiedlichen Glaubens. Es kommt schon mal vor, dass ein überzeugter Glaubender uns erzählt, dass wir nur erlöst werden, wenn wir jeden Tag zu Jesus beten, aber im Regelfall lassen einen die Menschen in Ruhe, wenn man sich zu dem einen oder anderen Glauben bekennt.

Wie in Deutschland gibt es auch hier jeden Sonntag Gottesdienste, die vermutlich von allen Christen hier in Ghana besucht werden. So scheint es zumindest, wenn man auf der einen Seite die Intensität ihres Glaubens und auf der anderen Seite die ganzen Werbeplakate für diverse Gottesdienste, Wunderheilungen oder auch Kirchengemeinden sieht. Bisher habe ich nur den Gottesdienst im Kinder Paradise miterlebt, aber selbst dort gehen alle total ab, wenn es ans „Worshipping“ geht. Ich habe es in meinem vorletzten Blog über das Kinder Paradise schon anklingen lassen, aber ich kann nicht oft genug betonen, was für eine Party da steigt, wenn alle singen und dazu noch getrommelt wird. Am Anfang des Gottesdienstes ist es noch etwas ruhiger und es werden ein bis zwei Lieder im Sitzen gesungen. Irgendwann bittet dann der Sprecher die Singgruppe nach vorne auf die Bühne und alle stehen auf, um sich zur Musik bewegen zu können. Während die Gruppe vorne singt und einzelne Hausmütter oder auch Lehrer mit Mikro irgendwelche Improvisationen zum Besten geben, schaukelt sich die Stimmung immer weiter hoch, bis schlussendlich alle lauthals singend und tanzend mit den Liedern mitgehen und kaum mehr zu bremsen sind. Es ist schon eine Herausforderung, sich nicht mitreißen zu lassen und einfach stocksteif dazustehen. Nach kürzester Zeit fühlt man sich nämlich unwohl, weil man extrem auffällt, wenn man sich nicht bewegt. Also klatsche ich immer fröhlich mit, tanze ein bisschen auf der Stelle und singe die Teile der Lieder, die ich schon so oft gehört habe, dass ich sie auch schon kann mit. Dabei kann ich meist gar nicht aufhören zu lächeln, weil ich es jedes Mal so unglaublich faszinierend und erfüllend finde, wie glücklich das Singen die Kinder und Hausmütter macht. Anfangs war mir das Ganze sehr suspekt. So extrem gläubige Menschen, die eine Stunde lang Lieder über ihre Liebe zu Gott und Jesus und ihre Dankbarkeit singen, dabei ist es eigentlich schön, dass die Menschen hier einen so unerschütterlichen Glauben haben. Wer in Deutschland so gläubig ist, wird häufig mit Skepsis und kritischen Fragen überschüttet und hier ist es einfach genau andersherum. Ich denke, dass die Menschen, gerade weil sie so viel Energie aus ihrem Glauben schöpfen nicht verstehen können, weshalb es auch Menschen gibt, die das Konzept einer Religion komplett ablehnen.

Nicht nur das Singen im Gottesdienst ist anders als in Deutschland, sondern auch die Predigten unterscheiden sich sehr in ihrer Vortragsweise und vor allem in ihrer Länge. Wie schon gesagt, der Gottesdienst dauert normalerweise 2 Stunden. Davon wird eine Stunde lang gesungen und getanzt und die andere Stunde wird gepredigt. In Deutschland beschweren sich viele ja schon, wenn die Predigt mal länger dauert als 15 Minuten. Es gab hier schon eine Predigerin, die unglaublich in ihr Mikrofon gebrüllt hat und auf und ab gegangen ist, und mich sogar vor versammelter Mannschaft gefragt hat, ob ich mich denn schon mit Jesus auseinandergesetzt hätte. Es gibt aber auch ganz andere Predigten. Zum Beispiel hat einmal jemand aus der Leitung des Kinder Paradises eine Predigt über Fehler des Menschen gehalten und regelrecht dazu aufgerufen, konstruktive Kritik an die Hausmütter und auch die Leitung des Kinder Paradises zu bringen, wenn etwas nicht gut funktioniert. Diese Predigt war sehr interessant und ich war angenehm überrascht, dass die Kinder gebeten wurden Kritik zu üben, um eine Besserung zu erzielen. Ich muss ehrlich gestehen, dass ich so einen Aufruf hier, wo die Älteren eigentlich immer Recht behalten, nicht erwartet hätte. Aber so kann man sich irren.

Nicht nur im Gottesdienst, sondern auch im Alltag ist die Religion sehr wichtig. Die Muslime beten hier ebenfalls mehrmals am Tag nach Mekka und es wird immer vor dem Essen ein kleines Dankgebet gesprochen. Solche Rituale sind mir auch in Deutschland schon häufig begegnet und auch wir als Familie haben eine Zeit lang vor jeder gemeinsamen Mahlzeit ein Gebet gesprochen. In Deutschland weist vielleicht eines aus 20 Autos das Symbol der Christen zur Zeit der Christenverfolgung, den ICHTHYS (=Fisch), als Aufkleber irgendwo am Auto auf, aber hier ist beinahe jedes TroTro und jedes Taxi mit Aufklebern und verschiedensten Sprüchen beklebt. Neben „Hand of God“ oder „Jesus our Savior“ gibt es unzählige weitere Texte oder auch Zitate aus der Bibel, die auf den Heckscheiben der Fahrzeuge pranken. Neben einem solchen Zitat ist oft noch ein Aufkleber zu finden, der den leidenden Jesus abbildet und erneut mit einem Spruch untertitelt ist. Ebenso verhält es sich mit den Läden am Straßenrand, denn auch diese haben Namen wie „God´s way local food“ und verdeutlichen die tiefe Verbundenheit der Ghanaer zu ihrem jeweiligen Gott.

Wenn ich mir eine Predigt anhören möchte, würde ich in Deutschland entweder bis zum nächsten Sonntag warten, oder im Internet nach etwas Brauchbarem googlen. Das ist hier aber wirklich nicht notwendig, da immer mal wieder ein Prediger in demselben TroTro sitzt und lautstark anfängt von Gott und Jesus zu reden. Das ist für mein Gefühl eher störend, als angenehm, aber das liegt auch daran, dass ich bei den TroTro – Fahrten gerne in Ruhe nachdenke, oder etwas lese. Das gestaltet sich mit einem Prediger im TroTro etwas schwer. Die anderen Insassen machen unter Umständen sogar noch mit und unterstützen den Prediger zwischendrin mit einem „AMEN!“ oder einem „HALLELUJA!“. Das kenne ich auch schon aus dem Kinder Paradise. Wenn der Sprecher oder Prediger „AMEN“ ruft, dann antworten alle „AMEN“. Ebenfalls mit „AMEN“ wird geantwortet, wenn der Prediger „HALLELUJA“ ruft. „HALLELUJA“ wird von der Gemeinde nur geantwortet wenn der Prediger „PRAISE THE LORD“ gerufen hat. Hier nochmal die Kurzform:

„PRAISE THE LORD“ – „HALLELUJA“

„HALLELUJA“ – „AMEN“

„AMEN“ – „AMEN“

Dasselbe gilt auch im TroTro. Die motivierten Insassen unterstützen den Prediger und wenn diesem die Antwort des call-and-respond nicht laut genug ist, wiederholt er seinen Ausruf einfach nochmal. Ich muss zugeben, dass ich immer ganz froh war, wenn die entsprechenden Prediger ausgestiegen sind, denn dann konnte ich endlich wieder meinen Gedanken freien Lauf lassen.

Schlussendlich kann ich eigentlich nur sagen, dass ich gewisse Punkte an dem Glauben der Menschen hier zwar nicht nachvollziehen kann (was ich ja auch nicht muss), ich die Menschen aber trotz allem für ihre tiefe Verbundenheit in einen Gott, ob jetzt Allah, Yahwe oder eine ganz andere Gottheit, bewundere. Ein so unerschütterliches Vertrauen in etwas so ungreifbares, wie einen Gott habe ich noch nie erfahren können und finde es einfach erstaunlich und faszinierend. Ich denke besonders zu dem menschlichen Miteinander und dem brüderlichen Umgang, den wir auch erfahren dürfen, trägt der Glaube an ihren Gott grundlegend bei. Die Nächstenliebe und der Respekt vor einander und vor allem vor anderen Religionen macht in meinen Augen viel in Bezug auf die Atmosphäre und das Wohlbefinden jedes einzelnen Menschen hier aus. Ich möchte nicht wissen, was hier los wäre, wenn die Muslime und die Christen plötzlich der Meinung wären, sich gegenseitig den eigenen Glauben aufzwingen zu müssen. Was das angeht können wir, denke ich, noch einiges von den Ghanaern (zumindest denen in Accra) lernen.

Leave a Comment

Required fields are marked *.