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Erster Unterricht und die Schüler im Kinder Paradise

Aufgrund technischer Probleme mit meinem Laptop (er schreibt entweder keine oder plötzlich ganz viele t´s), konnte ich leider nicht früher bloggen. Es gestaltet sich sehr schwierig, wenn sich das Gerät selbständig macht und einfach 4 Seiten t´s schreibt und jegliche andere Befehle ignoriert. Naja, ich werde es jetzt einfach versuchen, ist dann halt ein bisschen wie Rätsel raten (die Autokorrektur ist meine letzte Hoffnung).

Gleich an meinem ersten Wochenende hier in Ghana bin ich mit Maria, Annika, Judith und Nikolaj, also allen Freiwilligen zu dem Zeitpunkt, ins Kinder Paradise nach Prampram gefahren. Das Kinder Paradise ist ein Heim und eine Boarding School für Kinder aus meist schlechten Verhältnissen. Manche der Kinder wurden aufgenommen, da sie von ihren Familien misshandelt wurden und von zuhause ausgerissen sind, andere wiederum, weil sie gesellschaftlich aufgrund ihrer körperlichen oder geistigen Fähigkeiten nicht angenommen werden. Neben den Kindern, die im Heim leben, kommen noch diejenigen dazu, die unabhängig davon an dem Schulunterricht teilnehmen. Demnach gibt es Tagesschüler und Heimschüler, mit denen wir gleichermaßen den Vormittagsunterricht unter der Woche abhalten. Der Inhalt dieses Unterrichts ist immer abhängig von der Klasse, der Geschwindigkeit mit der die Schüler lernen und wie konzentriert sie arbeiten. Das gilt nicht nur für den Unterricht im Kinder Paradise, sondern auch für den Unterricht in der AMIS und der Bethany Schule. Je nach Alter der Schüler, also je nach Klassenstufe machen wir entweder Klatschspiele, um das Rhythmusgefühl zu stärken und ihnen auch zu zeigen, dass es echt interessant ist, zwei Rhythmen gegeneinander laufen zu lassen, oder singen mit ihnen Lieder. Zwischendurch versuchen wir Musiktheorie zu vermitteln, indem wir ihnen Notenlängen mithilfe des Tortenschemas erklären. Das funktioniert sehr unterschiedlich gut. Manche Klassen (wie die in der Bethany zum Beispiel) verstehen sofort, was man meint und können dann sogar die zuvor geklatschten Früchte in Notenwerten ausdrücken oder das Lied „Bruder Jakob“ rhythmisieren. Andere wiederum sind mit dem Torten-Schema schon bei der Ganzen und der Halben Note überfordert. Vor allem am Anfang ist es sehr schwer einzuschätzen, wie viel Zeit man für welche Klasse braucht und oft hatten wir entweder zu viel oder zu wenig auf dem Plan. Mittlerweile haben wir die meisten Klassen schon mindestens zweimal unterrichtet und es besteht demnach eine grobe Vorstellung davon, wie schnell die unterschiedlichen Stufen vorankommen.

Ich habe tatsächlich großen Spaß daran, die einzelnen Klassen zu unterrichten und ihnen Freude an der Musik zu bereiten. Aus eigener Erfahrung weiß ich auch, dass eine gute Mischung zwischen spaßigen Aktivitäten, wie Singen und Tanzen und der etwas zäheren Musiktheorie vorhanden sein muss, damit die Schüler dauerhaft interessiert bleiben. Sobald die Kinder an Konzentration verlieren, gehen wir mit ihnen raus und laufen die verschiedenen Rhythmen, Singen ein Lied oder machen ein Klatschspiel. So (hoffen wir zumindest) können wir den Spaß an der Musik erhalten und trotzdem das Wichtigste vermitteln.

Diesen Montag haben wir beispielsweise viele gesungen und gespielt, während wir letzten Montag verschiedene Instrumente vorgestellt und unterschiedlichste Stücke aus der klassischen Musik vorgespielt haben. Es ist total wichtig, dass die Kinder nicht aus den Augen verlieren, warum wir den Unterricht mit ihnen machen. Deshalb beziehen wir uns vorzüglich auf bestimmte Instrumente, die sie in Zukunft auch erlernen können und versuchen den Funken der Begeisterung für die klassische Musik von uns auf die Schüle zu übertragen. Wie haben beispielsweise letzte Woche mit ihnen den Löwen, den Schwan und das Aquarium aus dem Karneval der Tiere von Camille Saint-Saens angehört. Zuvor mussten die Kinder die drei Tiere (im Falle des Aquariums natürlich die Fische) charakterisieren und wir haben das Ganze an der Tafel dokumentiert. Im Anschluss daran haben wir die Stücke angehört und die Schüler sollten die Tiere den unterschiedlichen Stücken zuordnen. Das hat relativ gut geklappt und ihnen hat die Musik sichtlich gefallen. Bei dem Schwan und dem Aquarium wurden sie ganz ruhig und haben zum Teil die Augen geschlossen, während sie bei dem Löwen mit den Händen den Pianisten imitiert haben. An manchen Tagen sind die Klassen aber dermaßen unruhig, dass wir dauernd eingreifen müssen und kaum etwas geschafft bekommen. Jetzt, da ich selbst unterrichte, kann ich meine ehemaligen Lehrer verstehen, die manchmal im Laufe einer Stunde immer gereizter wurden, denn für uns war es doch immer nur Spaß. Aber jetzt erst merke ich, dass es ist ziemlich frustrierend und energieraubend ist eine laute und hibbelige Klasse vor sich zu haben, die keinerlei Interesse an einer konstruktiven Beteiligung am Unterricht zeigt. Das klingt jetzt schlimmer als es ist, aber auch mit solchen Tagen muss man rechnen und damit zurechtkommen.

Neben dem Vormittagsunterricht in den Schulen unterrichten wir auch nachmittags in der Library und am Wochenende im Kinder Paradise unsere jeweiligen Instrumente. In der Library sind momentan viele ganz neue Kinder, die noch keinerlei Erfahrung mit den Instrumenten oder auch der klassischen Musik haben. Die Grundlagen sind also gefragt. Wie halte ich die Geige? Und Wie den Bogen? Und warum muss ich erst lernen zu zupfen, ich will lieber gleich mit dem Bogen spielen! Und wie geht das mit den Fingern? Es ist gar nicht so leicht einem Kind zu erklären, warum es wichtig ist, eins nach dem anderen zu lernen und dass es viel Zeit und Energie kostet, bis man wirklich von „Geige spielen“ reden kann. Interessanter Weise muss ich genau dieselben Fehler korrigieren, die ich früher selbst gemacht habe. Immer wenn eines der Kinder den Handballen an das Griffbrett legt, muss ich an meine erste Geigenlehrerin denken, die mir viel zu oft sagen musste, ich solle nicht „betteln“ ? Ebenso die Haltung des Bogens. Am Anfang ist alles so dermaßen verkrampft, da die Schüler Angst haben, ihnen würde sonst der Bogen aus der Hand fallen. Also haben wir erstmal mit einem Bleistift geübt und selbst das gestaltete sich schwierig. Mich hat es immer tierisch genervt auf so viele verschiedene Sachen achten zu müssen, aber im Nachhinein betrachtet ergibt das natürlich alles einen Sinn. Dessen war ich mir zwar bewusst, aber die Position als Lehrerin hat mir dies nochmal stärker vor Augen geführt. Es ist unglaublich schwer, die Kinder vor allem im Einzelunterricht am Anfang motiviert zu halten und ihnen so viel Spaß mit der Musik zu bringen, dass sie gerne ihr Instrument üben und auch dazulernen wollen.

Im Kinder Paradise sind die Schüler besser als in der Library, da sie regelmäßiger Unterricht erhalten haben. Trotz allem muss ich dauernd Grundlagen korrigieren und ihnen das wieder abgewöhnen, was sie sich in der Abwesenheit eines Lehrers angewöhnt haben. Auch hier stellt sich dann immer wieder die Frage: Kann ich jetzt weiter auf die Stelle eingehen, oder braucht der Schüler eine Abwechslung? Frustriert er, wenn er schon wieder dieselben Sachen üben muss, oder hat es einen merklich positiven Effekt, da ein Fortschritt erkennbar wird? Alles Fragen, bei denen ich lernen muss, die Antwort zu erspüren und meine Schüler besser einzuschätzen. Aber das ist hoffentlich etwas, dass ich schnell hinbekomme.

Neben den Schülern, die zwar schon Geige spielen können, also die auch schon Finger benutzen und kleinere Stücke gespielt haben, gibt es noch Kanfu. Er ist der beste Geigenschüler überhaupt hier (auch verglichen mit der Library) und mit ihm kann man auch schon musikalisch arbeiten. Zwar stimmt natürlich mal die Intonation nicht, aber grundsätzlich kann er schon Stücke wie die zweite Kreuzer Etüde spielen und mit der zweiten und dritten Lage arbeiten. An meinem ersten Samstag habe ich alle sieben Geigenschüler nacheinander unterrichtet und war nach Nummer Sechs ziemlich am Ende mit meinen Kräften. Dann kam aber Kanfu und meine Erschöpfung ist wieder verflogen, einfach weil ich mit ihm an der Musikalität und nicht dauernd an den technischen Grundlagen arbeiten musste. Diesen Samstag habe ich bestimmt zwei Stunden mit ihm Unterricht gemacht und nach einer Stunde produktivem Arbeiten sind wir dazu übergegangen, das Thema von Game of Thrones für zwei Geigen zu spielen. Ich hatte so viel Spaß dabei und habe mich auch einfach gefreut, dass es einen Schüler gibt, der auch ein gutes Vorbild für die anderen Geigenschüler sein kann. Wenn er so etwas erreichen kann, dann können es die anderen bestimmt auch.

Um mein unregelmäßiges Bloggen etwas zu regulieren habe ich mir überlegt, jeden Dienstag zu schreiben (ist rein von meinem Stundenplan her am günstigsten). Ihr könnt euch schon auf Themen wie „Der Alltag im Odehe Center“, „Ghanaische Beerdigung mit einer Trommel-  und Tanzgruppe“, „Die Wochenenden im Kinder Paradise“, „Das Phänomen Ghana“, „Highlights in der Greater Accra Region“, „In The Name Of Jesus“ und weitere Einträge freuen.

Ich wünsche euch allen eine schöne Woche und bis nächsten Dienstag,

Eure Vivien

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