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Beobachten, kennenlernen, unterrichten

Die ersten zwei Wochen allein in der WG sind vorüber, seit Sarah und Katharina wieder in Deutschland sind. Zeit für ein Zwischenfazit. An sechs Tagen in der Woche gebe ich Unterricht, je zwei Tage in Nima, Korle Gonno und Teshie. Samstag ist mein Ruhetag. Und interessanterweise ist genau dieser Samstag mein „schlimmster“ Tag, dieser Tag, wenn ich nichts zu tun habe und mich auch nicht aufraffen kann mir etwas anzusehen. Dann merke ich, dass ich allein in der WG bin. Die anderen Tage laufen super! Um einen kleinen Überblick über meine Erlebnisse der letzten zwei Wochen zu geben, berichte ich über meine Beobachtungen im Verkehrssystem und wie der Unterricht läuft, bzw. was genau ich da eigentlich mache. Viel Spaß!

„Und wer mutig genug ist, der fährt Motorrad.“

Wer im Straßenverkehr in Accra als Fahrer unterwegs ist, sollte sich warm anziehen. Und wer im Straßenverkehr in Accra als Beifahrer unterwegs ist, sollte seinem Fahrer vertrauen können. Wie im letzten Blog erwähnt, bestehen die Straßen aus festgefahrener Erde, Schotterpisten und Asphalt. Wie ein Flickenteppich ziehen sich die Bodenbeschaffenheiten durch die Stadt und die Vororte, gespickt mit Schlaglöchern. Darauf tummeln sich aller Arten Fahrzeuge. Zwei Dinge sollte man wissen: je größer das Gefährt und je lauter die Hupe, desto eher gilt das Recht auf Vorfahrt. Außerdem: auf den Straßen herrscht Anarchie. Die absoluten Könige der Straße sind in jedem Fall die LKWs. Und wer mutig genug ist, der fährt Motorrad.

Die vollen Straßen in Makola.

Wenn ich mit dem Bus fahre, dem sogenannten Tro-Tro, dann fühle ich mich erstaunlich sicher. Denn: Wie der Taxifahrer in London jede Gasse kennt, so kennt der Busfahrer in Accra jedes Schlagloch. Dicht eingepackt besetze ich einen der wenigen Plätze. Je nach Größe des Busses variiert die Anzahl der Sitzplätze zwischen 15 und 20. Man kann sich vielleicht vorstellen, wie die Atmosphäre in den umgebauten Transportern ist. Vor allem in der Mittagshitze, wenn man anfängt in der Blechbüchse zu schmoren. Wenn ich eingestiegen bin, wird abkassiert. In jedem Tro-Tro gibt es jemanden, der aus dem Fenster ruft, wohin der Bus fährt, der die Ein- und Ausstiege organisiert und das Geld der Mitfahrer:innen einsammelt. Wenn ich aussteigen möchte, muss ich das rechtzeitig bekannt geben. Zweimal bin ich eine Station zu weit gefahren. Wenn ich mich mittags auf den Weg mache Richtung Nima oder Korle Gonno, sind die Fahrten meistens entspannt. Ich bekomme schnell einen Bus und auch der Verkehr ist überschaubar. Viel interessanter wird es auf dem Rückweg, wenn alle wieder nach Hause fahren. In Nima habe ich schon eine Dreiviertelstunde auf einen freien Sitzplatz gewartet. Wir erinnern uns, es ist ein Kampf um die Plätze. Wenn du nicht in der ersten Sekunde checkst, dass das dein Bus ist, der gerade einfährt, sind die schon Plätze besetzt. Keine Chance. Meine Devise ist es also, Geduld mitzubringen. Ich lasse mir und nehme mir einfach bewusst die Zeit zum Busfahren.

Wenn ich angekommen bin, warte ich meistens auf meine Schüler:innen. Selten ist jemand vor mir da. Das Warten kann von kurzer oder langer Dauer sein. Es kam schon vor, dass ich 90 Minuten draußen im Schatten saß und gelesen habe. Ich kann wirklich nur empfehlen für die Wartezeiten stets ein Buch dabei zu haben. Nach und nach treffen alle ein. Es sind mal mehr und mal weniger Schüler:innen. Die Unterrichtszeit ist gefüllt von Klängen und Geräuschen. Es ist immer ein Durcheinander, was es zu managen gilt oder in welchem ich versuche mit einzelnen Schüler:innen zu üben. Es funktioniert nicht immer, aber ich habe mir vorgenommen zumindest bei jeder Unterrichtseinheit bei jedem Schüler und jeder Schülerin einmal über die Schulter zu schauen.

„Das Schöne daran ist, dass es nie langweilig wird.“

Viele Schüler:innen spielen nach Gefühl, was besonders dann nicht funktioniert, wenn sie zusammenspielen. Daher verbringe ich viel Zeit damit, Noten zu erklären, Rhythmen zu klatschen, Melodien vor- und mitzusingen und das Metrum zu klopfen. Manche Schüler:innen verstehen schnell, was ich meine. Bei anderen hingegen muss ich zehnmal erklären, dass eine punktierte Viertel anderthalb Schläge gespielt wird und nicht einen oder zwei. Das Schöne daran ist, dass es nie langweilig wird. Es sind jeden Tag neue Herausforderungen, die mich erwarten und neue Fortschritte, die wir gemeinsam machen. Prosper, mein Trompetenschüler in Nima, konnte beim ersten gemeinsamen Unterricht nicht einen geraden Ton spielen. Mittlerweile bekommt er nicht nur einen einfachen Rhythmus hin, sondern kann auch eine halbe F-Dur-Tonleiter hoch und wieder runter spielen. Mit Isak, einem meiner Gitarrenschüler in Korle Gonno, habe ich Scarborough Fair im Duett erarbeitet und mittlerweile üben wir das Stück Greensleeves. Mit Asselan, David und Michael hingegen übe ich den Wechselschlag mit Zeige- und Mittelfinger.

Der Blick auf die Fischerboote in James Town.

Morgen werde ich das erste Mal bei einer Probe des National Symphony Orchestra vorbeischauen und vielleicht, je nach Zeit, besuche ich danach die Amba Gallery, ein Kunstmuseum im Herzen Accras.

Gruß, David

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